Beerdigung
Die Vorbereitungen zur Beerdigung
In den jüdischen Gemeinden der ganzen Welt gibt es seit vielen Jahrhunderten sogenannte „Bruderschaften“, die freiwillig und ehrenamtlich tätig sind.
Neben anderen, die sich um Krankenbesuche, Frauenfürsorge, Brautausstattung usw. kümmern, ist die wichtigste die " Chewra kaddischa", die "Heilige Beerdigungsbruderschaft".
Diese kümmert sich um die rituelle Versorgung der Toten, die Waschung, die Einkleidung und Einhüllung des Leichnams in leinene Tücher, sie besorgt die Einsargung und früher übernahm sie auch die Totenwache bis zur Beerdigung.
Die Waschung und Einkleidung
Zwischen mindestens drei und bis zu sechs Personen helfen bei der Totenwäsche. Männer führen sie bei Männern aus, Frauen bei Frauen. Diese Waschung und Einkleidung gilt als heilige religiöse Handlung und wird mit größter Ehrfurcht von frommen, ehrenamtlich tätigen Männern oder Frauen vollzogen.
Die Waschung, „Tahara“ (Reinigung) genannt, wird in einem speziell dafür eingerichteten Raum mit besonderen Waschgeräten ausgeführt. Der Verstorbene wird auf einen Tisch gelegt. Die Beine des Toten weisen in Richtung Tür, der Kopf in Richtung Rauminneres. Damit wird symbolisiert, dass der Mensch im Tod die irdische Existenz und die Unreinheit (Beine) verlässt. Was bleibt, ist seine Seele (Kopf). Während die Mitarbeiter der Beerdigungsbruderschaft den Körper waschen und reinigen sprechen sie Verse, die sich auf diese Prozedur beziehen: "Dann werde ich reines Wasser über euch sprengen, dass ihr rein werdet von aller Unreinheit, und von allen euren Götzen werde ich euch reinigen" (Ezechiel 36, 25). Diese Verse werden nicht nur wegen ihres relevanten Inhalts rezitiert, sondern auch, um diejenigen, die die Waschung vornehmen, von profanen Gesprächen abzuhalten, so lange der Tote vor ihnen liegt. Sie achten sorgfältig auf die Würde des Verstorbenen und bedecken seinen Körper, wenn sie das Haar waschen und kämmen. Sie schneiden die Nägel des Toten und waschen ihn mit ungefähr 7 Litern Wasser. Dabei darf der Leichnam niemals entblößt frei liegen, es wird bei allen Handlungen der Waschung und Einkleidung immer ein Laken über ihm gehalten, das ihn bedeckt.
Nach der Reinigung des Toten wird ihm einfache weiße Totenkleidung aus Stoff (Baumwolle) angezogen, die, abgesehen vom Unterschied bei Frauen und Männern, für alle gleich und ohne Verzierungen ist. Dazu gehören Hose, Hemd, Kleid, Schuhe (aus dem gleichen Stoff) und eine Mütze. Es ist auch üblich, einem männlichen Verstorbenen den „Tallit“ den Gebetsschaal, umzulegen, der eigene, den er zu Lebzeiten benutzt hat oder einen neuen; eine der vier Quasten wird abgeschnitten, als Zeichen dafür, dass Tote keine Gesetze mehr beachten müssen. Oft ist es Brauch, eine Quaste des Gebetsschaals am Kopfende des Sarges aus dem Sarg herausschauen zu lassen, um so die Kopfstelle für die spätere Beisetzung zu markieren.
Das Totenhemd schenkte früher die Braut, die es selbst genäht hatte, dem Bräutigam zur Hochzeit. Der verheiratete Mann trägt es bei Lebzeiten schon während der Gottesdienste am Neujahrstag und am Versöhnungsfest sowie beim Pessachmahl über seiner normalen Kleidung, als Zeichen der Erinnerung daran, dass man sterblich ist.
In Israel wird der Leichnam ohne Sarg beerdigt, denn ein Sarg ist religiös nicht vorgeschrieben. Wo es von den Landesgesetzen her Vorschrift ist, wie in Europa, soll ein möglichst einfacher Sarg, der keinen Unterschied zwischen Arm und Reich macht, verwendet werden.
Die Mitglieder der Chewra Kaddischa begleiten auch den Toten bei der Beerdigung um u.a. für das nötige „Minjan“, das Quorum von mindestens 10 jüdischen. Männern, die älter als 13 Jahre alt sind, zu sorgen, damit manche Gebete wie z.B. das Kaddischgebet gesprochen werden können.
Die Beerdigung
Eine jüdische Beerdigung nach derHalacha, d.h. nach orthodoxer, religiöser Vorschrift, ist immer eine Erdbestattung. Dies ist traditionell so und für Juden eine Selbstverständlichkeit. Eine Feuerbestattung ist streng untersagt; Totenverbrennung wird schon in der Bibel als schweres Vergehen betrachtet und bestraft (Amos 2,1).
Das Verbot der Feuerbestattung hängt mit der Würde des Toten (die im Judentum eine wichtige Rolle spielt) zusammen.
Ferner ist da der Glaube an die Unsterblichkeit der Seele, an die Verbundenheit zur Erde (Adam von Adama, hebr. Erde) und an die Auferstehung der Toten.
Auf einer jüdischen Beerdigung gibt man sich bei der Begrüßung nicht die Hand, sondern Grüßt einfach durch Kopfnicken.
Der Sarg wird in die Leichenhalle gebracht, wo die Trauerfeier stattfindet. Mancherorts gab oder gibt es keine Leichenhalle beim Friedhof, dann findet die Trauerfeier im Freien statt.
Derjenige, der die Trauerfeier leitet, oft ein Rabbiner oder Kantor, spricht und singt bestimmte Gebete und Psalmen in Hebräisch. Dann wird in der jeweiligen Landessprache ein Nachruf verlesen, der das Leben des Verstorbenen in Erinnerung bringt und seine Verdienste erwähnt. Es ist üblich, zu verschiedenen Zeiten im Jahr, die durch Freude gekennzeichnet sind (z.B. am Monatsersten, „Rosch Chodesch“, in der Zeit des Chanukka-Festes, an Purim, an den Zwischenfeiertagen von Pessach und Sukkot, den ganzen Monat Nissan über, den ganzen Monat Tischri und die ersten 13 Tage des Monats Siwan), von Nachrufen Abstand zu nehmen. An diesen Tagen wird stattdessen eine Abschiedsrede an den Verstorbenen gehalten, die sich jedoch meistens nicht so sehr von einem Nachruf unterscheidet.
Das Einreißen des Gewandes – K’riah
Bevor die Nachrufe beginnen, wird bei den unmittelbaren Familienmitglieder (Eltern, Ehepartner, Kinder, Geschwister) nacheinander das Ritual des Einreißens des Gewandes ausgeführt. Die „K’riah“, der Einriss, wie dieses Ritual heißt, wird heutzutage nur mit vorheriger Zustimmung des Trauernden ausgeführt.
Das Einreißen des Gewandes ist ein Brauch, bei dem die Trauernden ein Kleidungsstück einreißen, als Symbol des Risses in ihrer Seele, der durch Leiden wegen des erlittenen Verlustes verursacht wird. Der biblische Ursprung dafür ist Jakob, der sein Gewand aus Trauer um seinen Sohn Joseph, den er tot glaubte, einriss (Genesis 37, 34). Die Bibel verbindet in vielen Fällen Trauer und Kummer mit dem Einreißen des Gewandes. In talmudischer Zeit rissen Trauernde ihr Gewand in dem Augenblick ein, in dem sie vom Hinscheiden eines Verwandten hörten.
Der Riss wird an einem äußeren Kleidungsstück gemacht (Hemd, Bluse, Pulli), über der Brust links (in der Nähe des Herzens) für Eltern und rechts für andere Verwandte. Der Riss muss bedeutend sein, ungefähr 8,5 cm lang. Er wird mit einem Messer gemacht, nicht mit einer Schere. Gewöhnlich beginnt ein Mitglied der Chewra Kaddischa den Riss und der Trauernde erweitert ihn, indem er an beiden Seiten nach unten zieht. Wenn möglich, sollte der Trauernde während des Rituales stehen. Danach wird ein Segensspruch gesagt, in dem erklärt wird, dass der Ewige der gerechte Richter ist.
Trauernde tragen das eingerissene Kleidungsstück während der 7 ersten Trauertage (außer am Schabbat). Wenn der Riss zu lang ist, kann er mit einer Sicherheitsnadel gehalten werden. Nach der „Schiwa“ ist es üblich, das Kleidungsstück wegzuwerfen und nicht mehr zu verwenden.
„El Male Rachamim“
Zum Abschluss der Trauerzeremonie in der Halle wird das “El Male Rachamim“-Gebet vorgetragen. Dieses Gebet wurde im Mittelalter in Deutschland nach den Kreuzzügen, also vor etwa 1000 Jahren verfasst. Gott wird angefleht, der Seele des Verstorbenen Frieden zu geben.
„Gott voller Erbarmen, der in den Höhen weilt, verleihe vollkommene Ruhe, zusammen mit den Reinen und Heiligen, dem Glanz des Himmels gleichend, der Seele des/der soundso (der hebräische Name des /der Verstorbenen wird eingefügt), der/die dahingegangen ist. Denn ich gelobe Almosen für einen wohltätigen Zweck zum Verdienst seiner/ihrer Seele, die im Garten Eden ihre Ruhe finden möge. Möge der barmherzige Gott sie für ewig unter seine Fittiche nehmen und sie zum ewigen Leben binden, als sein Erbe, und möge er/sie in Frieden ruhen. Darauf lasst uns sprechen: Amen“.
Nun verlässt die Trauergemeinde die Halle und man trägt oder fährt den Sarg zum Grab. Die Angehörigen und die Trauergemeinde folgen dem Sarg. Auf diesem Weg werden weitere Gebete und Psalmen vorgetragen und es ist Brauch,3 oder 7 kurze Pausen, was den Schöpfungstagen entspricht, einzulegen, bei welchen der Trauerzug anhält bzw. der Sarg abgesetzt wird. Am Grab angekommen, wird der Sarg behutsam in die Erde gesenkt und die Angehörigen sowie die übrigen Anwesenden werfen jeder drei Schaufeln Erde darüber. Wenn der Sarg ganz von Erde bedeckt ist, wird das Kaddischgebet vom Ehemann oder von einem Sohn des Verstorbenen oder von einem anderen männlichen Angehörigen gesprochen.
Das „Kaddisch“-Gebet
Es wird häufig als „Totengebet“ bezeichnet und ist in der Praxis emotional sehr stark beladen, obwohl es inhaltlich direkt gar nichts mit dem Tod zu tun hat. Der Text, teilweise in Aramäischer Sprache, ist mindestens 2000 Jahre alt. Der Inhalt des Gebets, in welchem mit keinem Wort von Tod die Rede ist, ist ein feierliches Glaubensbekenntnis, eine Verherrlichung und Lobpreisung des Schöpfers und eine Bitte, um die Erhöhung seines Namens. Es wird im täglichen gemeinsamen Gottesdienst mit mindestens zehn religiös Volljährigen, d.h. über 13 Jahre alten Männern, mehrmals gesprochen. Insbesondere von Trauernden während des Trauerjahres und später an jedem Jahresgedächtnis des Todestages. Es gibt verschiedene Varianten des Gebetes, die zu verschiedenen Momenten des Gottesdienstes gesprochen werden. Der Text, den ein Trauernder am Grab spricht, lautet wie folgt:
"Erhoben und geheiligt werde sein großer Name in der Welt, die er nach seinem Willen erschaffen, und sein Reich erstehe in eurem Leben und in euren Tagen und dem Leben des ganzen Hauses Israel schnell und in naher Zeit, sprechet: Amen!
Sein großer Name sei gepriesen in Ewigkeit und Ewigkeit der Ewigkeiten!
Gepriesen sei und gerühmt und verherrlicht und erhoben und erhöht und gefeiert und hocherhoben und gepriesen der Name des Heiligen, gelobt sei er, hoch über jedem Lob und Gesang, Verherrlichung und Trostverheißung, die je in der Welt gesprochen wurde, sprechet: Amen!
Nimm in Barmherzigkeit und Wohlgefallen unser Gebet an.
Möge Erhörung finden das Gebet und die Bitte von ganz Israel vor seinem Vater imHimmel, sprechet: Amen!
Der Name des Ewigen sei gepriesen von jetzt an bis in Ewigkeit!
Fülle des Friedens und Leben möge vom Himmel herab uns und ganz Israel zuteilwerden, sprechet: Amen!
Meine Hilfe kommt vom Ewigen, dem Schöpfer von Himmel und Erde.
Der Frieden stiftet in seinen Himmelshöhen, stifte Frieden unter uns und ganz Israel, sprechet: Amen!"
Nachdem das Kaddischgebet am Grab gesprochen wurde, ist die Beerdigung abgeschlossen.