Die Synagogengemeinde im 18. und 19. Jahrhundert
Seit 1760 waren jüdische Kauf- und Handelsleute in der Stadt willkommen, um für ein weiteres Wirtschaftswachstum zu sorgen. Gesetze wurden verabschiedet, wonach Juden Häuser und Felder erwerben konnten und für ihr Vieh Weide und Wasser erhielten.
Die zunächst positive Entwicklung wurde jedoch schon 16 Jahre später unterbrochen, als sich die christlichen Kaufleute gegen die jüdische Konkurrenz wehrten. Im Juli 1776 erkauften sich die Bürger der Städte Saarbrücken und St. Johann von Fürst Ludwig von Nassau-Saarbrücken für 75 Louis d’or die Ausweisung der Juden aus der Stadt. Die Kaufleute erbrachten 25 und die Gemeindekasse 50 Louis d’or. Innerhalb der Stadtmauern und im Umkreis von zwei Stunden durfte nach dem Dekret des Fürsten kein Jude mehr wohnen.
In Frankreich hatten die Juden in Folge der Revolution 1791 die volle Gleichstellung erreicht; dieses Recht galt auch für alle deutschen Territorien, die nach der Französischen Revolution unter direkter Herrschaft Frankreichs standen bzw. als so genannte Modellstaaten das französische Recht übernahmen.
Unter französischer Herrschaft konnten seit der Zeit um 1800 wieder jüdische Menschen zuziehen. Bereits 1793 ließ sich der Wirt Isaak Kahn aus Tholey mit seiner Familie in Saarbrücken nieder.1795 folgte die Händlerfamilie Simon Moses aus Lixheim in Lothringen. 1808 wurden 61 jüdische Einwohner gezählt.
Um 1835/37 lebten zehn jüdische Familien in Saarbrücken. Gottesdienste wurden zunächst in Privathäusern abgehalten. Die Toten wurden jahrelang jenseits der Grenze auf dem jüdischen Friedhof im französischen Forbach beigesetzt, der bereits seit 1797 bestand.
Im Laufe des 19. Jahrhundert entwickelte sich der Steinkohlebergbau und die Eisen- und Stahlindustrie. An der Saar entstand das drittgrößte Schwerindustriegebiet des Deutschen Reiches, das als „Saarrevier“ und seit den 1890er Jahren meist als „Saargebiet“ bezeichnet wurde. Durch den Bau des Saarbrücker Bahnhofs entstanden zusätzliche Arbeitsplätze und mit der Anbindung an das Schienennetz war eine wichtige Grundlage zur Expansion der Stadt gegeben.
In den folgenden Jahrzehnten zogen zahlreiche jüdische Einzelpersonen und Familien aus der weiteren Umgebung zu: aus Orten im Gebiet des heutigen Saarlandes, aber auch aus dem Elsass, aus Lothringen und aus der Pfalz.
1841 wurde der Saarbrücker Gemeinde ein Grundstück für einen Friedhof in der heutigen Graf-Simon-Straße, neben dem neuen kommunalen Friedhof an der Friedhofsallee/Ecke Komturstraße zugewiesen. Dort entstand die erste jüdische Friedhofsanlage Saarbrückens, die bis 1920 genutzt wurde. Das Grundstück, welches noch bis 1900 in städtischem Besitz war, ging dann in das Eigentum der Synagogengemeinde über.
1831 ist im Haus des Bankiers Moritz Simon, der bis 1857 Vorsteher der jüdischen Gemeinde war, in der damaligen Hintergasse 30 (heute Nr. 2) ein Betsaal nachgewiesen worden. Um 1860 wurde ein Betsaal in der Talstraße genutzt. 1870 stand der Gemeinde für Gottesdienste ein Raum im Haus des Lehrers Peter Lemmes in der damaligen Alleestraße 12 (heute Nr. 3) und ab 1882 der Riemsche Saal in der Bahnhofstraße 22 (heute Nr. 4) zur Verfügung.
Bis 1871 stieg in St. Arnual, Altsaarbrücken und St. Johann die Zahl auf 232 jüdische Einwohner.1885 hatte die jüdische Gemeinde bereits 376 Mitglieder.
Anfang der 1880er Jahre begannen die Planungen für den Bau einer Synagoge an der St. Johanner Futterstraße. Die Entwurfspläne reichte der Architekt Friedrich Mertz, Saarbrücken-St. Johann, am 26. Januar 1888 zur Genehmigung ein. 1889 erfolgte die Grundsteinlegung und ein Jahr später, am Freitagnachmittag des 21. Novembers 1890, wurde die erste Synagoge für den heutigen Bereich Saarbrückens in St. Johann, Ecke Futter- und Kaiserstrasse in Anwesenheit zahlreicher Vertreter des Öffentlichen Lebens eingeweiht. Der Hauptraum bot Platz für ca. 170 Männer, auf der Empore war Raum für ca. 110 Frauen.
Der Neubau der Synagoge war Teil der Stadterweiterung von Saarbrücken-St. Johann entlang der Kaiserstraße, die erst in den 1890er Jahren städtebaulich erschlossen wurde. Man kann also sagen, dass der Standort der Synagoge im neuen Zentrum der Stadt dem großen Ansehen entsprach, das die damalige jüdische Gemeinde genoss. Dies zeigte sich auch bei der Einweihungsfeier. Die „Saarbrücker Zeitung“ berichtete am nächsten Tag, dem 22.11.1890:
„(…) Die Gemeinde darf sich zu dem so lange entbehrten, nunmehr prächtig erstandenen Gotteshause aufrichtig Glück wünschen, und mit ihren israelitischen Mitbürgern freut sich die gesamte Bürgerschaft unserer beiden Städte. Man gab dann auch dieser Freude namentlich in St. Johann durch reiche Beflaggung der Straßen Ausdruck.“ Und etwas weiter wird in dem langen und sehr ausführlichen Bericht über den Ablauf der Einweihungsfeierlichkeit und die anwesenden Ehrengäste berichtet: „Nach der nunmehr erfolgten Eröffnung der Synagoge strömten die Gemeinde und die Festteilnehmer in das Gotteshaus und nahmen die ihnen vom Komité angewiesenen Plätze ein. Alles war überrascht von der ebenso prächtigen, wie würdigen dekorativen Ausstattung des Gotteshauses und der effektvollen Beleuchtung des schönen Raumes“. Der Artikel endete mit den Worten: „Möge die neue Synagoge für unsere israelitischen Mitbürger stets eine Stätte der Erhebung zum Ewigen und des Friedens mit den Menschen sein; das walte Gott!“.
1887 hatten sich die Städte St. Johann und Saarbrücken zusammengeschlossen. 1899 umfasste der Synagogenbezirk den Kreis Saarbrücken.1905 lebten dort 872 jüdische Gemeindemitglieder.
1909 wurden die Städte (Alt-)Saarbrücken, St. Johann und Malstatt-Burbach vereinigt. Bis 1910 stieg die Mitgliederzahl der jüdischen Gemeinde auf 1103 Personen.
1913 wurden Brebach, Dudweiler, Friedrichsthal, Gersweiler, Heusweiler, Kleinblittersdorf, Ludweiler, Püttlingen, Quierschied, Riegelsberg, Sulzbach und Völklingen angeschlossen.
Von 1920 bis 1923 wuchs die Mitgliederzahl um 80% an. Am 1. Februar 1928 bestand die Gemeinde bereits aus 2409 Seelen, dies stellte mehr als die Hälfte der gesamten jüdischen Bevölkerung an der Saar dar sowie einen Anteil von fast 2% der insgesamt ca. 120 000 Einwohner Saarbrückens (bei der Volkszählung 1927 waren im gesamten Saarland 5213 Juden registriert).
Ab 1932 wurden die Orte Altenkessel, Fürstenhausen, Großrosseln, Güchenbach, Schafbrücke, Scheidt und Wehrden angegliedert. Die jüdische Gemeinde Saarbrücken wuchs weiterhin an, im Jahr 1933 bis auf 2650 Seelen.
Der Zuwachs der Mitgliederzahl erklärt sich teilweise durch die Zuwanderung aus den dörflichen Gemeinden des Saarlandes, teilweise durch den wirtschaftlichen Aufschwung, den die Stadt in diesen Jahren kannte, und teilweise aber auch durch den Zuzug von Ostjuden, insbesondere aus Polen und Galizien, wie es auch anderswo in Deutschland und namentlich in Berlin der Fall war.
Nach dem Anwachsen der Gemeinde Ende des 19. Jahrhunderts war der relativ kleine Begräbnisort in Alt-Saarbrücken bald voll belegt. Und da jüdische Gräber für die Ewigkeit bestehen bleiben müssen und nicht wiederbelegt werden können, wurde ein neues größeres Friedhofsgelände benötigt. Es wurde in den Jahren 1918/20 an der Goldenen Bremm angelegt und dient noch heute der nach dem Krieg 1946 gegründeten Synagogengemeinde Saar als Begräbnisort.